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Ulla, Svea, Anna und Sabrina

Es ist für Betroffene nicht einfach, tagtäglich mit dem Poland-Syndrom zu leben und sich damit auseinander-

zusetzen. Vier Frauen haben sich getraut, von Ihrem Leben mit dem Poland-Syndrom zu erzählen. Um Ihre ganz persönlichen Erfahrungsberichte zu lesen, bitte auf eine der Silhouetten klicken!

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Ich heiße Ulla und bin 1960 im Ruhrgebiet geboren. Heute lebe ich im Rheinland. Erst mit 32 Jahren habe ich erfahren, dass meine angeborenen Fehlbildungen Poland-Syndrom genannt werden.


Mit fehlt der komplette rechte Brustmuskel, rechts ist nur eine kleine Brustwarze angelegt. Die Finger meiner rechten Hand waren zusammengewachsen und die mittleren Glieder der Finger sind kürzer. Die Finger wurden nach der Geburt getrennt. Mit 5 Jahren wurden sie nochmals getrennt und Haut aus der Ellenbeuge verpflanzt. Mit 18 Jahren wurde mein Mittelfinger begradigt. Die Finger der Hand funktionieren, sind nur etwas unbeweglicher.


Mit 19 habe ich ein Silikonimplantat rechts bekommen.

Mit 34 Jahren wurde das Implantat in der Brust ausgetauscht.

Vor kurzem habe ich noch festgestellt, dass mein rechter Oberarm 3 cm kürzer ist.




In meiner Familie gibt es eine entfernte Verwandte, bei der sich eine Brust nicht entwickelt hat. Ich weiß allerdings nicht, ob bei ihr auch das Poland-Syndrom diagnostiziert wurde. Meine beiden Kinder und die meiner drei Geschwister sind gesund und auch in meiner großen Verwandtschaft gibt es keine weiteren Fälle von Poland.


Meiner Mutter hatte man nach meiner Geburt erzählt, ich hätte während der Schwangerschaft meine Hand auf der Brust liegen gehabt, sodass sich diese nicht entwickeln konnte. Genannt wurde meine Fehlbildung „Geburtsfehler“.

Bei meiner ersten Brust-OP wurde, wie ich erst bei Anforderung des OP-Berichts Jahre später erfahren habe, das Poland-Syndrom diagnostiziert. Meinen Eltern und mir wurde die Diagnose nicht mitgeteilt, obwohl wir immer wieder gefragt haben. Das Woher und Warum. lässt sich ja nicht eindeutig beantworten. Ich persönlich glaube, dass es genetisch bedingt ist.


Bei einem Krankenhausaufenthalt wegen einer Fehlgeburt mit 31 Jahren, sagte ein Arzt so nebenbei „Aha, Sie haben das Poland-Syndrom“. Endlich hatte ich einen Namen, für mein Anderssein. Damals forschte ich dann in Bibliotheken weiter….


Meine Eltern waren bei meiner Geburt natürlich geschockt, als sie erfuhren, dass ich Fehlbildungen habe. Ich gehöre zur Generation, in der auch Contergankinder geboren wurden. Meine Mutter hat während der Schwangerschaft keine Medikamente genommen.


Ich habe noch zwei ältere Geschwister  und eine jüngere Schwester. Meine Fehlbildungen wurden nicht in den Vordergrund gestellt, ich wurde wie meine Geschwister „ganz normal“  behandelt. Meine Eltern haben mit mir alle relevanten Ärzte aufgesucht und mir ermöglicht, mich operieren zu lassen. Sämtliche OP’s wurden ohne irgendwelche Diskussionen von der Krankenkasse übernommen. Für mich war früh klar, dass ich mich operieren lasse. Das genaue Alter in dem ich mich dazu entschlossen habe, ist mir heute nicht mehr klar. Eine psychologische oder therapeutische Begleitung wurde mir nie angeboten.




Ich hatte jede Unterstützung durch meine Eltern. Mein Anderssein wurde akzeptiert und war auch in der Verwandtschaft bekannt, es wurde offen darüber gesprochen.


Meine Eltern hatten natürlich auch Ängste, aber sie haben es mich nicht spüren lassen.


Vielen Freunden und heute auch Kollegen habe ich von meinem Geburtsfehler bzw. dem Poland-Syndrom erzählt und ich habe nicht ein einziges Mal eine negative Erfahrung gemacht. Die Menschen reagieren sehr vorsichtig und trauen sich oft auch nicht viel zu fragen. Mir war und ist Offenheit lieber als versteckte Blicke. Mit meiner Offenheit bin ich nie auf  Ablehnung gestoßen. Ich habe auch als Kind nie erlebt, dass „Kinder grausam sein können“.

Als Kind habe ich mich eigentlich normal gefühlt. Ich wusste, dass mir was fehlt oder dass meine Finger nicht ganz normal sind, aber ich habe mich nicht eingeschränkt gefühlt. Befreundete Kinder waren neugierig, wenn sie meine Narben gesehen haben. Ich habe dann erklärt, was ich habe und dann war das Thema erledigt.


Verzichtet habe ich wegen Poland auf fast nichts. Wenn unsere Familie schwimmen gegangen ist, ging ich selbstverständlich mit. Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, nicht schwimmen zu gehen. Ich habe jeden Sport mitgemacht, wobei einige Dinge nicht so gut funktionieren. Zum Beispiel war ich nie gut im Werfen, oder die Tennisvorhand klappt nicht. Das hat mich allerdings nicht frustriert, weil auch andere Menschen Dinge besser oder schlechter können.´


Wegen Poland habe ich mich von nichts abhalten lassen. So habe ich Gitarre spielen, Reiten und Skifahren gelernt und fahre Motorrad.


Während meines Studiums bin ich mit einer Freundin öfter zu einem FKK-Strand gegangen. Das kostete mich schon Überwindung. Ich habe dann meist ein Handtuch über die Schulter gelegt, weil es nicht immer leicht ist, den Blicken zu begegnen. Auch in der Sauna, die ich nur gelegentlich besuche, gelingt es mir nicht völlig unbefangen herumzulaufen.


Thema Kleidung: Ich habe versucht mich so zu kleiden, dass der fehlende Muskel rechts und die nicht richtig entwickelte Brust links, nicht auffällt. Enge Shirt’s und tiefe Ausschnitte habe ich vermieden. Zeitweise kam mir die Mode  da entgegen. Erst nach meiner zweiten Brust-OP mit 34 Jahren, bei der auch die linke Seite ein Implantat bekam, habe ich angefangen auch enge Sachen zu tragen. Das hat richtig Spaß gemacht!! Heute trage ich auch Ausschnitte, die die Delle unterhalb des Schlüsselbeins sehen lassen und es ist mir weitgehend egal. Viele wissen sowieso, was ich habe und die restliche Menschheit ist mir nicht so wichtig. Ich trage allerdings keine halsnahen Ketten, da diese nie symmetrisch im Ausschnitt liegen und ich das einfach nicht schön finde. Alternativ dann eben lange Ketten. Das menschliche Auge steht nun mal auf Symmetrie ….




In der Schulzeit habe ich meinen Freundinnen von meinem Geburtsfehler erzählt und es war wirklich OK. Als ich in die Pubertät kam hatte ich dann eine Reihe zusätzlicher Probleme. Ich hatte nicht nur Poland, sondern vorstehende Zähne, eine Zahnklammer, habe mir noch einen Schneidezahn ausgeschlagen, Schuhgröße 42 und dazu noch eine Skoliose. Und meine Geschwister hatten nichts! Naja, ich habe es ihnen auch nicht gewünscht, aber ich fand das schon extrem ungerecht. Meine jüngere Schwester hat  einen großem Busen entwickelt und wir beide haben oft überlegt, dass sie mir was abgeben könnte. Ich hätte aber auch nicht mit ihr tauschen wollen, da ein großer Busen auch eine Menge körperlicher und psychischer Probleme mit sich bringt.

Ich hatte natürlich auch Angst, dass mich ein Junge wegen der fehlenden Brust ablehnen würde. Eine OP war mit 14 noch weit weg!! Meinem ersten Freund habe ich bevor es intimer wurde, erzählt, dass ich nur eine Brust habe. Er hat nicht ablehnend reagiert, sondern eher verhalten neugierig.


Mit 16 hatte ich dann für ca. zwei Jahre einen Freund, der eine ausgeprägt Akne hatte. Er wollte nie sein T-Shirt zum Kuscheln ausziehen. Ich habe dann gesagt, wenn du dich nicht ausziehst, ziehe ich mich auch nicht aus. Es hat uns beide Überwindung gekostet. Erst später habe ich begriffen, dass jeder Mensch lernen muss, sich so zu akzeptieren, wie er ist und viele Probleme damit haben. Fast alle Menschen finden ihren Körper nicht perfekt und viele leiden darunter. Der Weg zu dieser Erkenntnis war allerdings lang und auch manchmal schmerzvoll.



Ich habe auch in späteren Beziehungen meinem Partner immer, bevor es intim wurde, informiert und es nie bereut. In meinen Beziehungsleben habe ich nicht ein einziges Mal eine Zurückweisung wegen dem Poland-Syndrom erlebt! Zumindest hat kein Mann es gesagt.



Meine Pubertät oder überhaupt meine ganze Entwicklung unterschied sich im Nachhinein betrachtet von einer unbelasteten Entwicklung. Ich war gezwungen, bewusst mit meinem Körper umzugehen und musste lernen ihn zu akzeptieren.


Ich weiß nicht, wie meine Pubertät ohne Poland verlaufen wäre, aber ich denke anders.


Nicht zuletzt deshalb, wenn auch nicht bewusst, habe ich mich für einen sozialen Beruf entschieden und Sozialarbeit studiert. Während des Studiums habe ich mich auch mit mir auseinander gesetzt. Den eigenen Körper zu akzeptieren ist das größte Problem. Ein Beispiel: Während meines Studiums sollten wir uns in einem Seminar selbst zeichnen. Alle zeichneten ihren ganzen Körper. Ich habe nur meinen Kopf gezeichnet. Mir ist in diesem Moment bewusst geworden, dass ich meine Persönlichkeit und mein Sein auf meinen Kopf reduziere und den Rest lieber ausblende. Dieses Bewusstwerden hat dazu geführt, mich damit auseinander zu setzen und eine positive Einstellung zu finden.


Ich denke, dass alle Menschen lernen müssen, sich so zu akzeptieren, wie sie sind. Nicht nur Menschen mit Fehlbildungen. Eine krumme Nase, Akne, Übergewicht oder andere Abweichungen vom gängigen Schönheitsideal sind für uns alle nicht leicht zu akzeptieren.


 


Als ich Kinder plante, habe ich damit gerechnet, dass es vielleicht nicht klappt. So ganz traute ich der Funktionalität meines unvollständigen Körpers nicht. So haben wir  auf natürliche Weise verhütet, uns nicht an den Zeitplan gehalten und ich war tatsächlich nach sechs Monaten schwanger. Die Schwangerschaft war problemlos und mein Kind gesund. Leider hat das Stillen nicht geklappt. Ich hatte zwar Milch, aber nicht genug, sodass ich relativ schnell auf Flasche umstellen musste, worüber ich sehr traurig war. Interessanterweise hatte auch die rechte Seite etwas Milch, allerdings war die Brustwarze zu klein.


Vielleicht hätte es mit etwas mehr Ausdauer ja noch geklappt, aber wenn das Kind Hunger hat, greift man doch zur Milchflasche.


 


Für einen Brustaufbau habe ich mich schon als Kind oder in der Pubertät entschieden. Den Zeitpunkt kann ich nicht mehr genau sagen. Ich hatte keine Angst vor den OP’s und freute mich drauf. Damals dachte ich, die Ärzte kriegen das alles hin. Ich wurde ja schon als Kind zweimal an der Hand operiert.


Operiert wurde ich mit 18 zunächst an der Hand in der Uniklinik Bochum. Dort wurde die „Schwimmhäute“ zwischen Zeige-, Mittel-, und Ringfinger weiter getrennt und der Mittelfinger begradigt. Es wurde aus dem mittleren Glied ein Keil herausgesägt. Dieser Finger ist jetzt kürzer und die getrennte Stelle ist wetterfühlig. Die Begradigung würde ich nicht noch mal mal machen lassen, weil sie keine Vorteile gebracht hat.


Mit 19 Jahren bekam ich dann das erste Implantat und ich war glücklich, auch wenn es immer noch nicht normal aussah. Mir wurde danach vorgeschlagen den Latissimus vom Rücken nach vorne zu legen um die „Delle“ unter dem Schlüsselbein auszugleichen. Diese OP habe ich abgelehnt, weil ich nicht Funktionierendes zerstören wollte. Außer-dem habe ich befürchtet, dass mir der Muskel im Rücken fehlen wird, da ich genau mit diesem meine hängende Schulter nach hinten ziehe. (Der Arzt hat mir Recht gegeben…). Die Brustwarze habe ich nie versetzen oder vergrößern lassen.


Ich hatte an dieser Stelle begriffen, dass egal, wie viele OP’s ich machen lasse, es immer nur eine Annäherung an das Normale sein wird. An dieser Stelle wollte ich nicht noch mehr Schmerzen für ein wenig mehr „Schönsein“.


Dieses Implantat wurde mit 34 Jahren in der Florence Nightingale Krankenhaus in Düsseldorf- Kaiserswerth ausgetauscht. Ich hatte mich auch über andere Methoden informiert, wie eigenes Gewebe verpflanzen, mit Wasser oder Sojaöl gefüllte Implantate. Und ich habe mich in verschiedenen Krankenhäusern beraten lassen.

Letztendlich habe ich mich wieder für Silikon entschieden. Eigenes Fett- und Muskelgewebe zu verwenden führt zu einer Verstümmelung an anderer Stelle  und ist außerdem eine sehr lange und risikoreiche OP. Mit anderen Flüssigkeiten gefüllte Implantate halten die Form nicht. Die neuen Silikon Implantate sind auch bei einem Unfall relativ sicher, da durch eine Wabenstruktur nur kleine Menge Silikon austreten können.

Das alte Implantat war inzwischen verkapselt, aber noch intakt. Bei dieser Gelegenheit wurde mir auch links ein Implantat eingesetzt, da die linke Brust sich nie richtig entwickelt hat. Die Ärzte hatten mir das angeboten, da sie sonst kein insgesamt zufriedenstellendes Ergebnis versprechen konnten. Die Krankenkasse hat das ebenfalls übernommen.

Ergebnis: Links super, rechts nach vor nicht perfekt. Trotzdem habe ich, bis auf die Begradigung des Fingers, keine OP bereut. Mein Busen ist zwar nicht symmetrisch, aber ich kann mich in den meisten Situationen unbefangen bewegen. Bis heute hat sich das Implantat nicht verkapselt. Die Lebensdauer eines Implantates wissen die Ärzte nicht, es wird regelmäßig vom Frauenarzt kontrolliert.

 



Vermisst habe ich in den Krankenhäusern, dass nie auf andere Betroffene hingewiesen wurde und ich niemanden kennengelernt habe, der das Gleiche hat wie ich. Auch wurden mir nie Beratungsgespräche oder eine psychologische Betreuung angeboten.


Meine ersten Kontakte zu anderen Betroffenen habe ich über das Forum im Internet bekommen und fand und finde den Austausch sehr spannend und bereichernd.


Bei meiner letzten Kontrolluntersuchung in der Klinik in Düsseldorf Kaiserswerth musste ich leider erfahren, dass angeblich meine Unterlagen vernichtet wurden. Angeblich werden diese nach 10 Jahren vernichtet. Die gesetzliche Aufbewahrungsfrist ist 30 Jahre, habe ich später erfahren. Also sollte jeder rechtzeitig die Herausgabe der Unterlagen verlangen.


Mein Hinweis an den untersuchenden Arzt, dass es im Internet ein Forum, für Betroffene gibt, fand kein Resonanz und er wurde auch nicht notiert. Hier liegt, denke ich, noch vieles im Argen.


 



Meine Kinder wissen natürlich, was ich habe und kennen die ganze Geschichte. Da ich zu Hause gelegentlich auch nackt herumgelaufen bin, oder mit den Kindern gebadet habe, wissen sie auch wie ich aussehe. Gelegentlich sprechen sie auch mit ihren Freunden darüber und erzählen es mir später. Sie fragen dann auch, ob ich das in Ordnung fand und mich hat es bisher nie gestört.


Ich denke, zur Menschheit gehören viele Menschen, deren Aussehen von der Norm abweicht. Sei es durch Fehlbildungen, Krankheiten oder Unfälle. Wenn alle Menschen, die etwas anders sind, dazu stehen könnten, wäre es „normaler“ anders zu sein und würden von den vermeintlich normalen Menschen eher akzeptiert.

 


Eltern, die ein Kind mit Poland bekommen, rate ich möglichst unbefangen mit der Fehlbildung umzugehen. Mitleid hilft dem Kind nicht und führt nur zu mangelndem Selbstbewusstsein. Sprecht mit Verwandten und Freunden darüber und vor allen Dingen mit dem Kind und stärkt ihm den Rücken. Poland hält dich von nichts ab!

Es sind die Vorstellungen von Dingen, die einem Angst machen und nicht die Dinge selbst.



Ich selbst habe mich nie behindert gefühlt, nur etwas anders.


Poland ist keine Krankheit, sondern ein Zustand, der je nach Ausprägung, mit einigen Einschränkungen verbunden ist.


Poland für mich hauptsächlich ein optisches Problem.


Poland verursacht keine Schmerzen.


Ich bin froh, dass ich nicht krank bin und Angst um mein Leben oder meine Gesundheit haben muss.

Ich kann mit Poland leben und Augenblicke des Glücks und lange Zeiten von Zufriedenheit erleben und das ist doch das Wesentliche.


Ich lebe gerne und ich denke das Poland meine Persönlichkeit auch in positiver Weise geprägt hat.


Ich wäre nicht ich ohne Poland.


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